Ich  bin Mutter von zwei Kindern mit Beeinträchtigung!

Ich  bin Mutter von zwei Kindern mit Beeinträchtigung. Ursprünglich komme ich aus der Türkei. Damals entschied ich, meine Familie, meinen Beruf, einfach alles und jeden hinter mir zu lassen, um ein neues Leben in Deutschland aufzubauen. Hier habe ich geheiratet, und nach zwei Jahren kam mein Sohn auf die Welt, was mich überglücklich machte. Allerdings war mir seine Beeinträchtigung zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar gewesen. Nach einigen Monaten bemerkte ich, dass sich mein Kind beim Sprechen und Laufen nicht so entwickelte wie andere Kinder in seinem Alter.  Ich war mir sicher, dass etwas nicht stimmte. So ging ich zu vielen Ärzten mit meinem Sohn, er wurde so oft untersucht aber ohne Aussicht auf Erfolg. Ich war verzweifelt, denn die Ärzte konnten weder sagen, welche Krankheit mein Sohn hatte, noch eine Lösung für die Situation finden.

Die Jahre vergingen und alles war sehr schwer für mich. Alle anderen Kinder in seinem Alter konnten springen, spielen, rennen, sprechen, aber mein Sohn konnte das alles nicht. Später empfohlen mir die Ärzte: „Falls Sie bei Ihrer nächsten Schwangerschaft unter ärztlicher Kontrolle betreut werden möchten, können wir Ihnen versprechen, dass das Kind gesund auf die Welt kommen wird“. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich schließlich entschieden, noch ein zweites Kind zu bekommen. Wenigstens hätte mein Sohn später ein Geschwisterchen, das auf ihn aufpassen könnte, wenn ich nicht mehr da bin.

Vier Jahre später kam mein zweites Kind auf die Welt, ein Mädchen. In den ersten sechs bis acht Monaten gab es keine Probleme. Später aber merkte ich, dass sie sich nicht richtig entwickelte, so wie es bei meinem Sohn war. Zum zweiten Mal musste ich also diese sorgenvolle, schlimme Zeit durchleben. Alle Untersuchungen bei den Ärzten waren ohne Erfolg, und wieder war ich am Boden zerstört. Diesmal war alles noch viel schwerer, weil ich nun zwei Kinder mit Problemen hatte. Es war eine doppelte Belastung für mich. Mein Ehemann arbeitete den ganzen Tag und abends war er so müde, dass er mir kaum helfen konnte. Meine Eltern konnten mich auch nicht unterstützen, weil sie weit weg in der Türkei lebten. Sonst hatte ich niemanden an meiner Seite. So lebte ich nur noch für meine Kinder und wollte keinen Kontakt mehr zu anderen. Ich war ganz auf mich alleine gestellt. Ich musste nun meine ganze Zeit und Energie für meine Kinder aufbringen. Es war mir klar: So kann es nicht weitergehen! Ich kann nicht einfach so weiterleben, ohne etwas zu tun.

Dann beschloss ich, einen Deutschkurs zu besuchen, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Was die Zukunft meiner Kinder angeht, suchte ich mehrmals Rat bei den Grundschullehrern*innen. Eine mögliche Lösung war, die Kinder auf ein Internat, also eine Schule, in der die Kinder auch wohnen, zu schicken. Dort hätten sie nach ihrem Abschluss, anders als bei „normalen“ Schulen, die Möglichkeit, eine Arbeit zu finden. Das wollte ich, und so besuchten meine Kinder ein Internat und machten dort ihren Abschluss. Momentan wohnen beide auf dem Schulgelände. Mein Sohn ist mittlerweile 28 und kann arbeiten. Meine Tochter hat das 25. Lebensjahr erreicht und arbeitet für einen Verein. Sie führen ein glückliches Leben. Die Wochenenden, den Urlaub und die Sommerfreizeiten verbringen wir zusammen. Ich bin froh, dass ich sie habe!

Am Schluss möchte ich noch etwas sagen:

Während ich mit aller Kraft und nur wenig Hoffnung für meine Kinder gekämpft habe, stand ich mit allen Problemen alleine da. Die Menschen um uns herum haben uns mit Mitleid angeschaut und sich teilweise über uns lustig gemacht. Das ist ein unbeschreiblicher Schmerz…eine Wut, die dabei hochkommt. Obgleich diese Kinder eine Beeinträchtigung haben und nicht wie andere Kinder sind, haben sie Gefühle wie jeder andere! Sie sollten wie jeder andere Mensch wahrgenommen und gerecht behandelt werden. Jeder Mensch ist einzigartig!